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ERLENMATT OST

Aktualisiert: 13. Mai 2019

SIGNALSTRASSE+GOLDBACHWEG, 4058 BASEL





AREALBESCHRIEB - LAGE, GESCHICHTE UND BEBAUUNGSPLAN


Im Norden der Stadt auf der Erlenmatt entsteht seit 2007 ein neues Stadtquartier. Der Namen für das neue Quartier wurde von dem Flurnamen „Erlenmatten“ auf dem Gebiet der nahegelegenen Gemeinde Weil am Rhein abgeleitet. Ausgangspunkt für die Entwicklung des Areals war die Auflösung des Güterbahnhofs der Deutschen Bahn AG im Jahre 1998. Die circa 19 Hektare grosse Fläche zwischen Nordtangente, Schwarzwaldallee, Erlenstrasse und Riehenring wurde frei für neue vielfältige Nutzungen. Bereits 1996 führte der Kanton Basel-Stadt einen offenen internationalen städtebaulichen Wettbewerb durch. Die Erkenntnisse daraus und aus den Mitwirkungsprozessen mit Bevölkerung und Gewerbe bildeten die Grundlage für den zweiten städtebaulichen Wettbewerb im Jahre 1998. Das Siegerprojekt wurde durch die Zusammenarbeit von Architekten, Landschafts-architekten und Verkehrsplanern zum Bebauungsplan weiterentwickelt. Dieser wurde im Juni 2004 vom Grossen Rat und, nach einem Referendum, auch von der Basler Stimmbevölkerung freigegeben. In dieser Zeit wurde das damals als nt/areal bekannte Gebiet für zahlreiche und vielfältige Zwischennutzungen gebraucht und erhielt durch ihre Pionierleistung, die explizite Verbindung von Zwischennutzungen und Standort- und Stadtentwicklung, europaweite Aufmerksamkeit.

Wie auf dem Bebauungsplan ersichtlich, wurde das Areal in 14 grosse Baufelder, A-N; aufgeteilt. 2010 gelang es der Stiftung Habitat, die Baufelder H, I und J zu erwerben und somit entstand das 2,2 Hektare grosse Teilgebiet Erlenmatt Ost. Dadurch bot sich der Stiftung die Chance zur Realisierung ihrer Idee, der Boden der Spekulation zu entziehen und Wohn- und Arbeitsraum für Menschen in allen Lebenslagen zu schaffen.



DIE STIFTUNG HABITAT


1996 haben drei Privatpersonen, eine davon die Roche-Erbin Beatrice Oeri, die Stiftung Habitat ins Leben gerufen. 22 Jahre später hat die Stiftung 26 Mitarbeitende und zählt in Basel zu den wichtigsten Akteuren, wenn es um bezahlbaren und nicht renditeorientierten Wohnungsbau geht. Sie beschreibt ihr Tun und Zweck selbst wie folgt:


„Die Stiftung Habitat kauft Liegenschaften oder Grundstücke oder erwirbt Rechte an Liegenschaften, um günstigen Wohnraum und ein lebenswertes Stadtumfeld zu schaffen. Bei der Nutzung der Liegenschaften orientieren wir uns an den Bedürfnissen des jeweiligen Quartiers und Ortes. Bei Sanierungsarbeiten nehmen wir Rücksicht auf die vorhandene Bausubstanz“


„Wir bieten Wohnungen für unterschiedliche Haushaltsformen und Budgets an. Es ist uns ein Anliegen, für unsere Liegenschaften eine gute Durchmischung hinsichtlich Alter, sozialer Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit zu finden. Zu unseren Angeboten gehören auch bedürfnisorientierte Mietwohnungen, so zum Beispiel für Ein-Eltern-Familien an der Gasstrasse 18 und für professionell Musizierende im Musikerwohnhaus.“


Die Schaffung von Begegnungsorte und Grünflächen, die Mitwirkung und Partizipation der An- und Bewohner bei der Konzeption und Planung von Bauvorhaben und die Unterstützung der Mieter durch das Mietzinsbeitragsmodell sind nur einige Punkte für welche die Stiftung steht.

Die Stiftung hat eine klare Haltung zum Bauen, wobei sie die Bedürfnisse der Menschen, mit Rücksicht auf Natur und Umwelt, den grossen Renditen vorziehen.


NACHHALTIGE AREALENTWICKLUNG - PLANUNG


Was mich besonders interessiert am Areal Erlenmatt Ost ist die Herangehensweise, die Analyse der Bedürfnisse und die konsequente Umsetzung der Ziele. Man hat die Chance genutzt und sich Zeit genommen, eine nachhaltige Entwicklung auf dem Areal zu planen, zu begleiten aber auch zu überprüfen und davon zu lernen. In den ersten Jahren wurden Zwischennutzungen, Austauschforen und Gesprächsrunden organisiert die als eine Plattform für das Kennenlernen der zukünftigen Bewohner diente. Ideen wurden entwickelt, Projekte lanciert und Genossenschaften gegründet. Gleichzeitig wurde das umfassende Regelwerk Erlenmatt Ost (REO) erarbeitet. Mit Orientierung an den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft wurden bereits klare Kriterien betreffend Wohnfläche, Energieverbrauch und Mobilität definiert. Die Baufelder wurden aufgeteilt, neu parzelliert und boten somit Platz für dreizehn vielseitige Projekte. Das Ziel, ein gutes Beispiel einer nachhaltigen Arealentwicklung zu werden, war gesetzt. Jedoch wollte die Grundeigentümerin sich nicht nur auf die Reduzierung des Energieverbrauches konzentrieren sondern Kriterien aus allen drei Dimensionen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt berücksichtigen und miteinbeziehen. Im erstellten Nachhaltigkeitskonzept konkretisieren sich die Inhalte des Kapitels Nachhaltigkeit aus dem REO. Es basiert auf dem Bebauungsplan der Stadt, dem generellem Baubegehren, den freiwilligen Zielvorgaben der Stiftung und dem REO.

Das Nachhaltigkeitskonzept ist einerseits Bestandteil der Baurechtsverträge und verpflichtet die Bauherrschaften einerseits die Zielvorgaben einzuhalten, anderseits dient es ihnen als Planungsinstrument und lässt sie die Einhaltung dieser überprüfen. Ziel war es, ein Kriterienset zu entwickeln, das auf die spezifischen Bedürfnisse der Situation auf dem Erlenmatt Ost abgestimmt ist. Das Kriterienset besteht aus 59 Kriterien, die nach Pflichten, Vorgaben und Bonus-Punkten differenziert sind.

Sie setzten sich aus 29 Massnahmen im Bereich Umwelt und Energie, 20 Massnahmen im Bereich Gesellschaft, 9 Massnahmen im Bereich Wirtschaft und einem „Joker“ für eigene Ideen zusammen. Wo möglich wurden die Massnahmen quantifiziert, um eine Bewertung zu erleichtern. Die Pflichtkriterien (P) müssen in jedem Fall erfüllt sein, die Vorgaben (V) können, begründet durch Bonus Punkte (B), kompensiert werden. Ausserdem muss pro Bereich eine minimale Punktezahl und total 75% der maximal erreichbaren Punktezahl erreicht werden. Somit hat die Stiftung ein umfassendes Arbeitsinstrument erstellt, das dennoch Freiräume für verschiedenste Projekte lässt.


Den Bauherrschaften werden diese Vorgaben nicht einfach nur aufgebrummt, sondern sie wurden und werden in den Planung- und Bauphasen eng begleitet. Anhand von Meilensteinen wird die Umsetzung der Massnahmen von der Stiftung Habitat überprüft. Folgende Meilensteine wurden gesetzt:


1 Vorprojekt

2 Bauprojekt

3 Baukontrolle und Bauabnahme

Die Ausschreibungsphase stellt die wichtigste Phase für die Umsetzung der angestrebten Kriterien dar. Alle Aspekte zur Umsetzung der Kriterien müssen hier zusammen finden, damit sie in der Ausführungsphase umgesetzt werden. Als Beleg dafür dienen beispielsweise Werkverträge, aber auch Kontrollen auf der Baustelle.


4 Betriebsphase

Beim Erstbezug und nach zwei Jahren finden Messungen und Befragungen statt. Ziel ist es, sich einerseits der Einhaltung der deklarierten Massnahmen zu vergewissern und anderseits wird der effektive Verbrauch mit dem berechneten Bedarf verglichen. Dies wiederum ist auch im Sinne des P+D-Projekts zur Optimierung des Betriebs.


Was ist das P+D-Projekt?

Die Stiftung Habitat und der Kanton Basel-Stadt haben sich darauf geeinigt, im Rahmen eines Pilot- und Demonstrationsprojektes die Arealentwicklung bis mindestens 2019 zu begleiten. Hierfür wird ein Monitoring der wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte angewendet, die unter anderem folgende Punkte umfasst:

- Periodische Kontrolle der Personenbelegung

- Auswertung der Verbrauchsdaten pro Gebäude

- Auswertung der Nachhaltigkeitsbeurteiligungen

- Analyse der Zielerreichung durch Mieterbefragungen, Beobachtungen und Daten des Statistischen

Amts Basel-Stadt

Ziel ist es, Erkenntnisse aus diesem Projekt auf anderen Arealen anzuwenden und gegebenenfalls zu verbessern.



NACHHALTIGE AREALENTWICKLUNG - BEISPIELE DER UMSETZUNG


Folgend konkrete Beispiele der Umsetzung der Massnahmen in den verschiedenen Bereichen:


Gesellschaft

Bei der Gestaltung des Hofes sind mehrere Massnahmen eingeflossen. Zum einen sind alle Häuser vom Hof her erschlossen und dieser soll somit als Begegnungszone dienen. Die Parzellen wurden so gestaltet, dass die Grenze den Fassaden entlang geht und der Innenhof von allen als öffentlicher Raum genutzt werden kann. Für die Bestimmung der Gestaltung und Nutzung wiederum hat man die Bewohner miteinbezogen und eingeladen daran teilzunehmen. Beispielsweise wurde gemeinsam beschlossen, keinen grossen Spielplatz zu bauen, da es im Erlenmattpark bereits einen hat. Oder die wachsende Wiese, statt mit einer konventionellen Einhegung, mit farbigen Fähnchen-Girlanden in Eigenarbeit zu schützen.


Wirtschaft

Einige Gebäude weisen eine statische Konstruktion auf, die eine Aufstockung um zwei Geschosse ermöglicht. Längerfristig ist somit die Möglichkeit einer Verdichtung auf dem Areal mit relativ wenig Aufwand möglich.

Sämtliche Flächen sind in Vermietung, es gibt keine Eigentumswohnungen oder Stockwerkeigentum. Somit kann der gemeinsame Unterhalt und die Erneuerung der Bausubstanz und Gebäudetechnik leichter geplant und Kosten können eingespart werden.


Umwelt und Energie

Das Energiekonzept sieht vor, dass ein möglichst grosser Teil des Eigenverbrauchs auf dem Areal selber erzeugt werden soll. Die Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern speisen dabei die Grundwasserpumpen mit Strom, die wiederum das Warmwasser für die Haushalte und die Heizung gewinnen. Das runter temperierte Wasser wird als Kühlwasser zur Roche weitergeleitet und dann dem Wasserkreislauf wieder zurückgeführt. Erlenmatt Ost hat eine der grössten Solarstrom-Eigenverbrauchanlagen der Schweiz. Das Ziel, 70% der benötigten Energie selber zu erzeugen, wurde anfangs Jahr erreicht und mit dem Watt d’Or vom Bundesamt für Energie gewürdigt.



Im Gespräch mit Urs Buomberger, Leiter des Projektbüros, hat er Erlenmatt Ost mit einem Permakultur-Garten verglichen. Alle tragen einen Teil mit zum Gedeihen, sie unterstützen und profitieren voneinander. Ich bin zuversichtlich, dass die Arbeit Früchte trägt und sich das Quartier zum lebendigen, nachhaltigen und lebenswerten Raum entwickelt.


Bilder via www.stiftung-habitat.ch, www.hochparterre.ch und von mir.

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